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Klimagipfel kompakt: Unser COP26-Tagebuch

17. November 2021 Von Harald Utler
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Der internationale Klimagipfel COP26 in Glasgow ist vorbei. Zwei Wochen lang haben 197 Nationen unter dem Motto „Ambition, action and acceleration“ über die weitere Umsetzung des #PariserKlimaschutzabkommens von 2015 verhandeltet. Mehr als 25.000 Menschen reisten nach Schottland, darunter zahlreiche Staatschef*innen der teilnehmenden Länder – das zeigt, wie rasant die internationale Klimapolitik in den vergangenen Jahren an Bedeutung gewonnen hat. Doch was war? Was bleibt? Was kommt? Wir haben die wichtigsten Ereignisse der Klimakonferenz in kurzen Stichpunkten als Tagebuch zusammengefasst.

Sonntag, 31.10.: Start der Konferenz

  • Wahl von Alok Sharma zum Präsidenten des Gipfels
  • Reden wurden gehalten von UN-Klimachefin Patricia Espinosa, Bundesumweltministerin Svenja Schulze, Bundesentwicklungsminister Gerd Müller, Premierminister Boris Johnson, Papst Franziskus, Prinz Charles und Umweltaktivistin Greta Thunberg.

Montag, 1.11.: Ankunft der internationalen Staats- und Regierungschefs

  • Bundeskanzlerin Angela Merkel warb für eine globale CO2-Bepreisung.
  • US-Präsident Joe Biden sprach sich dafür aus, Entwicklungsländer bei ihren Anstrengungen zu unterstützen.
  • UNO-Generalsekretär Guterres warnte vor einem Scheitern des Klimagipfels. In diesem Fall müssten die Länder ihre Klimapläne nicht nur alle fünf Jahre, sondern „jedes Jahr und jeden Moment“ auf den Prüfstand stellen.
  • Die Umwelt- und Entwicklungsorganisation Germanwatch sieht die USA wegen des innenpolitischen Widerstands gegen die versprochenen Klimaschutzmaßnahmen in einer schwachen Position, wenn es darum gehe, Druck auf andere Nationen auszuüben.
  • Indiens Premier Modi betonte, dass die Zusagen Indiens und anderer Schwellenländer zur Reduzierung von Treibhausgas-Emissionen Finanzhilfen der reichen und historisch größten Emittenten voraussetzten.
  • Angekündigte Ziele der Länder:
    • Deutschland: bis 2030 65 % der Emissionen einsparen im Vergleich zu 1990 und bis 2045 klimaneutral sein
    • USA: bis 2030 50–52 % Emissionen einsparen im Vergleich zu 2005
    • Indien: Klimaneutralität bis 2070 (erstmalige Nennung eines Ziels); bis 2030 sollen 50 % des Energiebedarfs aus erneuerbaren Quellen gedeckt werden; die Kohlenstoffintensität soll bis 2030 um 45 % reduziert werden (10 Prozentpunkte mehr als bisher geplant)
    • Russland: Klimaneutralität bis spätestens 2060
    • Saudi-Arabien: Klimaneutralität bis 2060; bis 2030 sollen 50 % des Energiebedarfs aus Erneuerbaren gedeckt werden
    • Australien: Klimaneutralität bis 2050

Dienstag, 2.11.: Fokus auf Waldschutz und Methan-Emissionen

  • Der Waldschutz-Initiative sind mehr als 100 Staaten beigetreten. Sie verpflichten sich damit, die Zerstörung von Wäldern und anderen Landschaften bis 2030 zu stoppen – allerdings ist die Initiative nicht verbindlich. Für das Vorhaben sollen bis 2025 etwa zwölf Milliarden US-Dollar (rund 10,3 Milliarden Euro) an öffentlichen Geldern mobilisiert werden. Hinzu kommen 7,2 Milliarden US-Dollar private Investitionen. Eine ähnliche Erklärung aus dem Jahr 2014 habe sich jedoch als vollkommen wirkungslos erwiesen, sagte der Klima- und Waldexperte Simon Lewis vom University College London der BBC.
  • Dem Global Methane Pledge der USA und der EU sind knapp 90 Staaten beigetreten (Reduzierung der weltweiten Methan-Emissionen bis 2030 um 30 Prozent im Vergleich zu 2020). Bisher nicht dabei: China, Indien, Australien und Russland.

Mittwoch, 3.11.: Fokus auf Finanzen

  • Die Industriestaaten haben den Entwicklungsländern 100 Milliarden US-Dollar ab 2020 pro Jahr versprochen, doch bisher ist das Geld nicht zusammengekommen. Voraussichtlich wird das erst 2023 der Fall sein. Dem Pariser Klimaabkommen zufolge soll das Geld für Klimaschutz- und Anpassungsmaßnahmen gleichermaßen eingesetzt werden. Die Mittel aus dem Topf der Klimafinanzierung bestehen zu etwa 70 % aus Krediten, nur 30 % sind Zuschüsse.
  • 450 Banken, Versicherer, Fonds und Vermögensverwalter aus 45 Ländern haben beschlossen, dass sie ihr Kapital künftig so einsetzen wollen, dass bis 2050 das Ziel „Netto-Null-Emissionen“ erreicht wird.
  • Was bei den anvisierten 100 Milliarden US-Dollar noch gar nicht vorgesehen ist, sind Zahlungen für Schäden und Verluste, die durch den Klimawandel entstehen.
  • Als „potenziell transformativ“ bezeichnete Klima-Experte David Ryfisch von Germanwatch den Vorstoß der Finanzunternehmen. Ryfisch sieht Indizien dafür, dass ein grundlegendes Umdenken in der Finanzbranche eingesetzt habe. Sie sei mittlerweile zu einer „treibenden Kraft zur Umsetzung des Pariser Abkommens“ geworden.
  • Der Bezos Earth Fund, eine Stiftung von Amazon-Gründer Bezos, hat zum COP eine Spende von zwei Milliarden US-Dollar zugesagt. Die eine Hälfte der Summe soll in den USA und Afrika für das Pflanzen von Bäumen ausgegeben, die andere für die Veränderung landwirtschaftlicher Systeme genutzt werden.
  • Abseits der Verhandlungen wurde zum ersten Mal Prinz Williams hochdotierter „Earthshot“-Preis vergeben. Damit werden Projekte ausgezeichnet, die Klima und Umwelt schützen.

Donnerstag, 4.11.: Fokus auf Energie

  • 25 Länder haben sich darauf geeinigt, bis 2022 aus der Finanzierung fossiler Energien im Ausland auszusteigen.
  • 190 Staaten und Organisationen erklärten ihre gemeinsame Absicht, aus der Kohle auszusteigen – darunter auch Deutschland. Bis wann genau der Ausstieg erfolgen soll, wurde nicht abschließend festgeschrieben. Dabei gibt es einen eindeutigen internationalen Maßstab: Laut Analysten müssten Industriestaaten zur Erfüllung des Pariser Abkommens bis spätestens 2030, Schwellenländer bis 2040 ihr letztes Kohlekraftwerk abschalten.

Freitag, 5.11.: Jugendtag

  • Prominente Klimaaktivistinnen aus aller Welt wie Greta Thunberg und Vanessa Nakate aus Uganda nahmen an der Aktion am sogenannten „Youth Day“ (Jugendtag) der COP26 teil.
  • Großdemonstration für mehr Klimaschutz mit 16.000 bis 30.000 Teilnehmer*innen.

Samstag, 6.11.:

  • Weitere Großdemonstration für mehr Klimaschutz mit bis zu 50.000 Teilnehmer*innen.

Montag, 8.11.: Fokus auf finanzielle Hilfen für die ärmsten Länder

  • In der zweiten COP-Woche verhandeln die Expert*innen und Fachminister*innen der teilnehmenden Länder.
  • Ex-Präsident der USA, Barack Obama, hielt eine Rede. Er sprach vom Versagen der meisten Länder und ermutigte die Jugend, weiterhin die Regierungen unter Druck zu setzen.
  • Weniger entwickelte Länder haben einen Bedarf an finanziellen Mitteln in Billionen-Höhe, die für den Ausbau erneuerbarer Energien und für die Durchführung von Anpassungsmaßnahmen benötigt werden. Dafür gibt es unter anderem den Least-Development Countries Fund und den Anpassungsfonds. Deutschland kündigte an, zu beiden Geldtöpfen insgesamt weitere 150 Millionen Euro beizutragen.

Dienstag, 9.11.: Fokus auf die besondere Belastung von Frauen in der Klimakrise

  • Frauen sind laut der UN stärker von Klimafolgen betroffen als Männer, deshalb tauschte sich die schottische Regierungschefin Sturgeon mit Klimaaktivistinnen aus.
  • Präsentation des Climate Change Performance Index 2022 (CCPI): Die Plätze 1 bis 3 des Rankings sind aufgrund der fehlenden Klimaschutzbemühungen aller Länder unbesetzt. Die nächsten Plätze nehmen skandinavische Ländern ein; Deutschland ist auf Platz 13, Schlusslichter sind Brasilien, Algerien und Australien.
  • Die Forscher*innen vom NewClimate Institute und Climate Analytics rechneten nach, was die bisher eingereichten national festgelegten Beiträge (Nationally Determined Contributions –NDC), die Ziele bis 2050 und die in Glasgow vorgestellten Allianzen und Abkommen für die Klimaerwärmung bedeuten: Das Ergebnis ist mit 2,4 Grad um 0,6 Grad höher als der von der Internationalen Energieagentur (IEA) prognostizierte Wert.
  • Deutschland schloss sich der bereits am 4.11. präsentierten Initiative für den Ausstieg aus der Finanzierung fossiler Energien im Ausland an. Der Grund für den verspäteten Beitritt war eine Klärung, inwieweit die Investition in Gasinfrastruktur als Überbrückung noch möglich sei.
  • Die UNO-Organisation für Ernährung und Landwirtschaft (FAO) stellte eine Untersuchung vor, laut derer fast 90 % von abgeholzten Waldflächen seit dem Jahr 2000 für landwirtschaftliche Zwecke weichen mussten.

Mittwoch, 10.11.:

  • 33 Staaten, elf Auto-Hersteller, 39 Städte sowie Konzerne mit großen Dienstwagenflotten und Investoren schlossen sich einer Allianz an, den Verbrennungsmotor in Industrieländern spätestens 2035 und in Entwicklungsländern spätestens 2040 zu verbieten. Für die Umsetzung soll branchenübergreifend zusammengearbeitet werden und technische sowie finanzielle Unterstützung bereitgestellt werden.
    • Beigetreten sind unter anderen: Indien, Kanada, Mexiko, Großbritannien, Österreich, Dänemark, Schweden und die Türkei, sowie Mercedes-Benz, Volvo, Land Rover, Ford und GM, aber auch die Flottenbetreiber Siemens, Unilever oder E.ON.
    • Nicht beigetreten sind unter anderen: Deutschland, die USA, China und Japan, sowie Volkswagen, Toyota, Honda, Nissan, Hyundai und BMW.
  • Der französische Präsident Macron erklärte, dass Frankreich zur Sicherung der Energieversorgung auf den Bau neuer Atomkraftwerke setzt. Deutschland hingegen unterstrich den Ausstieg aus der Atomkraft. Die IEA und der IPCC betrachten die Nutzung von Kernenergie lediglich als einen Beitrag zum Klimaschutz, nicht jedoch als Lösung wie viele Stimmen auf der COP behaupteten.
  • Der erste Entwurf für die Abschlusserklärung wurde veröffentlicht. Vor allem drei Themen darin müssen noch geklärt werden: die Klimafinanzierung, die Nachjustierung schon im nächsten Jahr und der Artikel 6 – Regeln für den Emissionshandel.

Donnerstag, 11.11.:

  • Die USA und China gaben eine gemeinsame Erklärung ab, in Klimasachen in Zukunft enger zusammenzuarbeiten – beispielsweise durch den Austausch von Technologien. Unter anderem kündigt China darin einen „phase down“ des Kohlestroms an sowie die Inkludierung von Methan-Emissionen in zukünftigen Reduktionsmaßnahmen. Die USA hat sich zum Ziel gesetzt, ab spätestens 2035 nur noch Strom aus erneuerbaren Energien einzusetzen.

Freitag, 12.11.:

  • Der Austragungsort für die nächste Weltklimakonferenz wird Ägypten sein.
  • Die Abschlusserklärung konnte nicht bis zum geplanten Ende der Konferenz fertiggestellt werden, deshalb wurde die Konferenz um einen Tag verlängert.

Samstag, 13.11.:

  • Am Abend wurde die Abschlusserklärung veröffentlicht, die wichtigsten Inhalte sind:
    • Abbau von Kohlestrom (wurde abgeschwächt von „Ausstieg aus“).
    • Streichung von ineffizienten Öl-, Gas- und Kohle-Subventionen (was als ineffizient gilt, wird nicht erklärt).
    • Reduzierung der Emissionen um 45 % bis 2030 (Basisjahr ist 2010).
    • Schon bis Ende 2022 sollen unzureichende Klimaschutzpläne der Länder nachgebessert werden.
    • Bis 2025 sollen die Finanzhilfen für ärmere Staaten auf ca. 35 Milliarden Euro verdoppelt werden.
    • Statt alle fünf Jahre, müssen Staaten ab jetzt alle zwei Jahre bei der UN über ihre Emissionsbilanz berichten.
    • Die Staaten sollen ihre Klimapläne in Zukunft auf fünf Jahre ausrichten.
    • Weitere Initiativen zum Waldschutz, der Reduzierung der Methan-Emissionen und für emissionsfreien Straßenverkehr wurden mitaufgenommen.
  • Die Erklärung wurde von allen 197 teilnehmenden Ländern unterzeichnet
  • Die Reaktionen auf die finalen Beschlüsse sind gemischt, von „historisch“ über „Enttäuschung“ bis hin zu „Betrug“
  • Unter anderem ist es in Glasgow endlich gelungen, das Regelbuch zum Pariser Abkommen fertigzustellen. Eine wichtige Anpassung ist, dass eingespartes CO2 nicht doppelt gezählt werden darf. Stattdessen muss es einen Abgleich im Geber- und Nehmerland geben.
  • Link zur Abschlusserklärung

 

Text: Celine Klein & Harald Utler
Bild: COP26 Behind the Scenes, cc-by-2.0, Photo Credit: Dean Calma / IAEA