Fresh! Thinking!

Warum wir neue Wege für nachhaltigen Konsum brauchen

Die Aufbruchkolumne von Michael Winter im Magazin enorm
28. Februar 2018 Von Michael Winter
Fresh! Thinking!

Vor vielen Jahren erklärte mir ein echter Nachhaltigkeitspionier, CEO eines großen Sportartikelherstellers, warum er die externen Kosten seines Unternehmens auf Euro und Cent berechnen ließ: Nur wenn er die wahren Kosten kenne, könne er seinen Kunden auch den wahren Preis für seine nachhaltigen Produkte abverlangen. Als nächstes sei es nun die Aufgabe seiner Marketingabteilung, diese – meist teureren – nachhaltigen Produkte an den Mann oder die Frau zu bringen. Ganz einfach klang das damals … Aber nicht nur höhere Preise haben in den letzten Jahren verhindert, dass nachhaltige Produkte sich im Massenmarkt wirklich durchsetzen konnten – sondern auch falsches Marketing.

Jemand, der weiß, wie Verbraucher ticken, ist Georg Abel, Geschäftsführer von „Die Verbraucher Initiative e. V.“ und Mitglied in zahlreichen Stakeholder-Beiräten großer Unternehmen. Nicht mangelndes Bewusstsein beim Verbraucher oder fehlende Informationen seien das Problem des nachhaltigen Konsums, erklärt er. Die Informationen seien vorhanden – aber sie würden nicht so aufbereitet, dass der Verbraucher sie richtig nutzen könne. Strategische Kaufentscheidungen seien immer auch gekoppelt an eigene Verhaltensänderungen und deshalb brauchen Verbraucher am Point of Sale (POS) beim Kauf von nachhaltigen Produkten andere Informationen als das klassische Marketing ihnen in der Regel bereitstellt.

Grundsätzlich traue ich den Kreativen aus den Werbeagenturen viel zu – und es gibt ja auch viele gute Ansätze: Nachhaltigkeitslabels beispielsweise oder Versuche, die Verbraucher mithilfe von Nudging quasi zur richtigen Kaufentscheidung zu „stupsen“. Trotzdem will es noch nicht so richtig gelingen, die breite Masse zu erreichen. Deshalb, finde ich, ist es an der Zeit, über neue Wege nachzudenken, über ein „nachhaltiges Marketing“, das die nachhaltige Lebensstilentscheidung zum Konsumziel der Mehrheit macht.

Diese neue Form des Marketings kann wahrscheinlich nicht allein in den Werbeagenturen und Marketingabteilungen der Unternehmen geschaffen werden, sondern ist eine gesellschaftliche Kommunikationsaufgabe, bei der Wirtschaft, Politik, Wissenschaft und  Verbraucherverbände zusammenarbeiten müssen. Dabei wird es notwendig sein, eine Dialogplattform zu schaffen, wo über unsere gesellschaftliche Vorstellung eines nachhaltigen Konsums diskutiert wird – und auf der offen um die beste Lösung gerungen wird und auch mal etwas ausprobiert werden darf. Schon jetzt zeichnet sich ab, dass ein solches „nachhaltiges Marketing“ eher Einzelthemen wie Verpackung, Tierwohl, „faire Lieferkette“ oder „Ressourcen sparen“ als Informationsangebot am POS in den Blick nehmen, die Rolle des Käufers neu interpretieren und an eine gemeinsame Wertegemeinschaft der Verbraucher appellieren wird. Ein solch breit und strategisch angelegter Austausch, der auch neue Netzwerke und Allianzen schafft, wird dem Thema und dem  Standort Deutschland sicherlich guttun.