Fresh! Thinking!

Warum wir neben Graswurzeln auch starke Bäume brauchen

Die Aufbruchkolumne von Michael Winter im Magazin enorm
22. Juni 2017 Von Michael Winter
Fresh! Thinking!

Grüne Start-ups sind im Kommen. Zumindest zahlenmäßig. Knapp ein Fünftel aller Betriebsgründungen sind bereits grün. Schlagzeilen macht beispielsweise derzeit eine Neugründung namens RECUP: Ein Team von acht jungen Leuten tritt mit einem Pfandsystem für Coffee-to-Go-Becher gegen die Vermüllung der Städte an. 50 Münchener Bäckereien und Cafés  haben es schon eingeführt. Es gibt viele dieser kleinen Erfolgsstorys in Deutschland.

Fast ist man geneigt, von einem grünen Graswurzel-Aufbruch zu sprechen. Wenn wir genauer  hinschauen, sieht es nicht mehr so rosig aus. Denn der wirtschaftliche Erfolg lässt bei vielen  grünen Gründungen leider auf sich warten. Mittlerweile wird in Deutschland nur eines von zehn Startups richtig groß. Neue grüne Produkte haben es noch schwerer. Zwei Drittel aller Nachhaltigkeitsinnovationen haben laut Borderstep Institut eine „Marktdiffusion“ von nur zehn Prozent. Das heißt, ihr aktueller Zielmarkt – vor allem das postmaterialistische Milieu unserer Gesellschaft – ist zu klein. Ihre Umsätze bleiben im Keller. Um dies zu ändern, müssten sie das Vertrauen neuer Käuferschichten gewinnen. Hierfür fehlt ihnen jedoch der lange Atem, nicht zuletzt weil nachhaltige Produkte und Lösungen Verhaltensänderungen erfordern. Um die grünen Geschäftsmodelle aus der Nische in den Massenmarkt zu bringen, müssen bei vielen Konsumenten innere Widerstände überwunden werden. Dafür sind umfangreiche Kommunikationsanstrengungen erforderlich.

Wer aber ist dazu überhaupt in der Lage? Richtig, etablierten Markenanbietern fällt es deutlich leichter als kleinen Newcomern. Deshalb mein Vorschlag: Mehr Kollaboration, ja mehr gegenseitige Hilfe zwischen groß und klein. „Raus aus der Nische“ heißt etwa ein Motto, unter dem eine große Handelskette in der Vergangenheit den Dialog über eine schrittweise Transformation ihres bestehenden Geschäftsmodells suchte. Die Großen haben Interesse, den Wandel ohne Brüche zu bestehen. Partnerschaften oder Bündnisse können ihnen dabei helfen. Disruptive Nachhaltigkeitsinnovationen sind ihre Sache nicht, denn wer schlachtet schon gerne seine Cash-Cow? Neugründungen ohne solchen Ballast sind da sicherlich im Vorteil. Was heißt das für die Transformation? Graswurzel- und Konzern-Perspektive können sich prima ergänzen. Warum also nicht die Dynamik frischer Ideen und die kommunikativen Stärken erfolgreicher Organisationen miteinander verbinden, statt viel Geld in staatliche Seed-Programme zu stecken?

Dass sich solche Engagements lohnen, zeigt die Telekom mit ihrem Gründungsportal hub:raum. Eines der vielen dort geförderten Startups heißt Ecoism. Der Name ist Programm: Ecoism hilft Verbrauchern durch intelligentes Energiemanagement, ganz eigennützig Geld zu sparen und zugleich etwas für die Umwelt zu tun. Aber erst in Verbindung mit der Marketing-Power des großen Partners dürften die nötigen Verhaltensänderungen und damit der Marktdurchbruch zu schaffen sein. Lasst uns darüber reden!