Meine Eltern verabschieden sich zu ihrer nächsten Kreuzfahrt. Ab für eine Woche durch die griechische Inselwelt. Ich gönne ihnen die Reise von Herzen. Doch warum eine Kreuzfahrt – eine der am wenigsten nachhaltigen Möglichkeiten, Urlaub zu machen? Sie sind jedoch in guter Gesellschaft: 2017 wird die Zahl der Passagiere weltweit fast 25 Millionen erreichen. Die meisten von ihnen sind über 50, darunter viele Leistungsträger der vergangenen Jahrzehnte. Sie geben gut und gerne eine fünfstellige Summe für eine einzelne Reise aus. Wie meine Eltern haben sie hart dafür gearbeitet und dabei nicht selten ein größeres Vermögen zusammengetragen. Dann dürfen sie doch auch ihr Geld nach eigenem Gutdünken ausgeben?
Schauen wir genauer hin: Der Anhäufung privater Vermögen stehen auf der anderen Seite wachsende Schuldenlasten gegenüber. Nicht nur Staaten müssen enorme Summen für die Schuldendienste aufwenden, die irgendwann beglichen werden müssen. Auch in der Privatwirtschaft werden seit Jahrzehnten Schulden gemacht. Allerdings sind diese Schulden nicht sichtbar und tauchen in keinem Jahresabschluss auf: Ich meine die sozialen und ökologischen Schadwirkungen, die in der Wertschöpfungskette der Unternehmen entstehen – zum Beispiel CO2-Emissionen. Erste Unternehmen haben begonnen, diese „unsichtbaren Schulden“ sichtbar zu machen. Die „ImpACT“-Berechnung des Otto Konzerns ermittelte 2015 beispielsweise ökologische Kosten von mehr als 20 Prozent des Umsatzes. Schon 2011 hatte Puma eine ähnliche ökologische Gewinn- und Verlustrechnung erstellt und dabei externe Kosten im dreistelligen Millionenbereich ermittelt.
Was passiert mit diesen Schulden? Sie werden in der Regel nicht von den Verursachern beglichen, sondern von uns allen. Die jungen Menschen von heute, ihre Kinder und Kindeskinder werden sie tragen müssen, zum Beispiel in Form von Maßnahmen zur Anpassung an den Klimawandel. Politische Ansätze, diese Kosten nach dem Verursacherprinzip klar zuzuordnen, greifen bisher kaum.
Auch so mancher Senior, der heute seinen verdienten Ruhestand genießt, hat beim Aufbau seines Vermögens einen Teil der anfallenden Kosten an nachfolgende Generationen verschoben. Ich will weder eine Neiddebatte noch einen Generationskonflikt lostreten: Aber ist es nicht ein Gebot der generationenübergreifenden Gerechtigkeit, dieses „belastete“ Vermögen weniger für ökologisch fragwürdige Kreuzfahrten zu nutzen und stattdessen in Kreislaufwirtschaft, bessere Bildung oder gesündere Arbeit zu lenken? Oder: Warum nicht einen nationalen Venture-Capital-Fonds für nachhaltige Geschäftsmodelle einrichten, in den alle freiwillig einzahlen, die jahrzehntelang durch Vermögensaufbau auch Kosten an ihre Kinder oder Enkelkinder verschoben haben? Und warum nicht ganz klein anfangen? Immer mehr Anbieter haben sich dem „sanften Tourismus“ verschrieben. Sie versprechen eine nachhaltige Erholung. Ich werde meine Eltern fragen, was sie davon halten.