Fresh! Thinking!

Warum Apple & Co. keine Steuern mehr zahlen sollten

Die Aufbruchkolumne von Michael Winter im Magazin enorm
24. April 2017 Von Michael Winter
Fresh! Thinking!

Einige Dinge brauchen ihre Zeit. Und das ist manchmal auch ganz gut so. Seitdem die EU-Kommission die irische Regierung im August vergangenen Jahres rigoros gezwungen hatte, von Apple 13 Milliarden Euro Steuernachzahlung einzufordern, ist nicht viel passiert. Zuletzt war die Wortwahl etwa von EU-Wettbewerbskommissarin Margrethe Vestager deutlich moderater. Das ermöglicht neue Denkbewegungen. Denn auch wenn der Volkswille zunächst applaudiert – schließlich sollen „die da oben“ zur Kasse gebeten werden, wenn einfache Steuerzahler brav ihre Knete abliefern –, könnte man auch anders argumentieren: Wir könnten Apple & Co. ja dazu ermuntern, die Steuermilliarden in die nachhaltige gesellschaftliche Entwicklung einzubringen. Ganz nach dem Motto: neue Technologien und ihre Gralshüter als Mitretter der Welt, Apple & Co. als milliardenschweres Subventionsprogramm für die Zukunft. Denn Apple ebenso wie Amazon, Facebook, Microsoft und Google könnten Menschen und Unternehmen befähigen, künftig effizienter, klimaschonender und kundenorientierter zu wirtschaften. Sie können neuartige, vernetzte Wertschöpfungsprozesse ermöglichen und damit Menschen helfen, unabhängig von ihrem Standort ihre Ideen zu entwickeln und zu verkaufen – besonders im Hinblick auf die Vision einer „Sharing Economy“, in der jeder seinen Bedarf in einem offenen Internet aus der „Crowd“ decken kann. Stichwörter sind: E-Health, Mobilität und Energieversorgung. Die Energiewende wird ohnehin nur gelingen durch eine intelligente Steuerung dezentraler Energieflüsse zwischen Millionen von Eigenerzeugern, Stromverbrauchern und Speichereinheiten, wie etwa den Batterien der Elektromobile.

Entscheidend aber ist, dass sich Apple & Co. über ihre Rolle als „Enabler“ gesellschaftlichen Wandels hinaus öffnen und auch in die Karten schauen lassen, insbesondere was die sozialen und ökologischen Belange angeht. Ein gutes Beispiel ist das Handeln von Apple im Hinblick auf den Rohstoff Coltan, der zur Handy-Herstellung verwendet wird. Gewinne aus dem Coltan-Abbau dienen Milizen in Zentralafrika zur Finanzierung von Bürgerkriegen. Die Anbieter sind deshalb dazu übergegangen, die betreffenden Minen zu boykottieren. Um hierbei die Richtigen zu treffen, haben sich global agierende Netzbetreiber und Hersteller in der Conflict-Free Sourcing Initiative (CFSI) zusammengeschlossen. Sie fordern die Verhüttungsbetriebe auf, ihre Quellen offenzulegen, lassen diese unabhängig überprüfen und nutzen Collaboration-Tools zur Erfassung, Auswertung, Zusammenfassung und Veröffentlichung der Daten. Apple jedenfalls lässt inzwischen 100 Prozent seiner Coltan-Beschaffungsquellen checken. Ein Anfang, aber immerhin! Hinzu kommt: Das Unternehmen gibt einen umfangreichen „Supplier Responsibility Report“ heraus. Demnach fanden 2015 insgesamt 640 Prüfungen bei Lieferanten vor Ort statt.

Die Diskussionen um Steuernachforderungen könnten wir nutzen für eine Diskussion um eine neue Fiskallogik. Wenn sich kommerzielle Anbieter zu transparenten, sozial und ökologisch verantwortungsvollen Benefit-Unternehmen wandeln und so den gesellschaftlichen Wandel mitgestalten, gibt es einen Steuernachlass. Lasst uns darüber reden!